Die wahre Geschichte von Dinner for one
„By the way, the same procedure as last year, Miss Sylvia?“
Genervt sah Sylvia die Barkeeperin an.
„The same procedure as every year, Jan-Nikolaus.“
Jan-Nikolaus schwenkte verschiedene Flaschen und goss ihren Inhalt in den Cocktailshaker.
„Und? Irgendwelche interessanten Fälle gehabt in letzter Zeit?“
„Wie man es nimmt. Ich bin immer noch an der Sache mit der alten Lady und ihrem Butler dran. Du weißt schon, der Fall mit dem Tiger.“
„Glaubst du immer noch, dass dieser James für das vorzeitige Ende der vier Freunde verantwortlich war?“
„Also die Abdrücke der Gewehrkolben im Maul des Teppichmonsters belegen eindeutig, dass nicht Mr. Pommeroy den Tiger sondern eine zwischen den Zähnen installierte Schussvorrichtung den Herrn mit der schrillen Stimme um die Ecke brachte. Ausgelöst wohl dadurch, dass James zum Schein mal wieder über den Teppich stolperte.“
„Und der zackige Offizier, wie hieß er noch gleich?!
„Admiral von Schneider. Das war am einfachsten zu erklären. Der schlug doch immer die Hacken zusammen. Nichts einfacher für James, als ihm bei einem angeblichen Stolperer ein Bein zu stellen, sodass er kopfüber in die Mulligatawny Suppe fiel und darin ertrank. Du weißt ja, Miss Sophie konnte nicht mehr so gut sehen und war außerdem von Mr. Winterbottom abgelenkt, sodass sie es bemerkte, als es schon zu spät war.“
„Und wer war noch mal der Vierte, ist dem denn nichts aufgefallen?“
„Sir Toby? Na klar hat er es bemerkt, der saß dem Admiral ja genau gegenüber. Aber dem passte Sir Tobys Tod genau so gut in den Kram wie James. Überhaupt waren die Herren sich eigentlich spinnefeind, weil sie, genau wie James auch, ja alle hinter Miss Sophie und ihrem Vermögen her waren.“
„Aber abgekriegt hat am Ende keiner etwas…“
„Nein. Sir Toby wurde von den Überresten des gebratenen Huhns erschlagen, die James wieder mal beim angeblichen Stolpern samt Teller aus den Fingern glitten. Das schwierigste war tatsächlich die Sache mit Mr. Winterbottom.“
„Wie hat er es da gemacht?“
„Naja, eines war lange nicht bekannt. Miss Sophies heimlicher Favorit war am Ende des Geburtstagsdinners stets so liebestoll, dass er statt des zu den Früchten gereichten Portweins das Wasser aus der Blumenvase vor ihm trank. So konnte James leicht vor Beginn der eigentlichen Feier seinen letzten Drink mit Gift versetzen.“
„Und das hat vor dir noch niemand erkannt?“
„Offenbar hat es bisher keinen interessiert.“
„Und wie bist du auf die Idee gekommen, dir diesen alten Fall vorzunehmen, ihn überhaupt erst zu einem Fall zu machen? Das letzte Geburtstagsdinner ist doch jetzt auch schon mindestens 50 Jahre her und wie alt war Miss Sophie damals noch mal?“
„Es war Miss Sophies neunzigster Geburtstag und von den Herren war nur noch James übrig. Jahr spielte er die Ereignisse des Mordtags nach und Miss Sophie dachte immer, er sei nur so betrunken, weil er stellvertretend für die Gäste den ganzen Alkohol trinken musste. Dabei war er stets bei klarem Verstand und freute sich schon auf den letzten Akt des Dramas.“
„Du meinst…“
„Man ahnt es, die letzte same procedure as every year endete stets in Miss Sophies Bett. So hat ihrer beider Leben an diesem 90. Geburtstag für beide sein Leben buchstäblich auf dem Höhepunkt gefunden.“
„Und keiner hat je geahnt…“
„Soweit ich weiß wusste nur James, dass 60 Jahre zuvor eine solche Same Procedure nicht ohne Folgen geblieben war. Neun Monate später kam meine Urgroßmutter zur Welt. James setzte sie vor einem Waisenhaus aus, denn eine Ehe zwischen den beiden wäre nicht standesgemäß gewesen und Miss Sophie hoffte ja immer, dass Mr. Winterbottoms Frau sterben würde und er sie endlich heiraten könnte.“
„Wie ist denn dann herausgekommen, wer die Eltern des Findelkindes waren?“
„Der Tod ereilte die beiden so überraschend, dass sie nicht mehr alte Briefe vernichten konnten, aus denen die Wahrheit hervorging. So kam dann am Ende doch noch alles heraus.“
„Dann müsstest du doch Miss Sophies Vermögen geerbt haben. Wie kommt es, dass du dann ständig pleite bist?“
„Naja, das hatte inzwischen das Finanzamt kassiert, weil keine anderen Erben mehr zu ermitteln waren.“
„Und jetzt?“
„Komme ich jedes Jahr an Miss Sophies Geburtstag zu dir in die Bar und trinke den Cocktail aus den Getränke, die James damals servierte.“
„Und danach, Sylvia, the same procedure as last year?!
„The same procedure as every year, Jan-Nikolaus.“